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Klima und Küste: Pragmatismus gesucht

Neue GERICS-Studie attestiert Fachartikeln zum Thema „Anpassung an den Klimawandel“ einen Mangel an Umsetzungs- und Lösungsorientiertheit

Sturmflut Flensburger Förde

Sturmflut in der Flensburger Förde, nach dem extremen Sturm vom 20. Oktober 2023. © Lola Kotova

In den vergangenen Jahren sind viele wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen zur möglichen Anpassung von Küsten an die Folgen des Klimawandels. Ein Team um den Meeresbiologen Dr. David Cabana vom Climate Service Center Germany (GERICS) am Helmholtz-Zentrum Hereon hat herausgefunden, dass sich die wenigsten dieser Forschungsergebnisse in konkrete Handlungsempfehlungen umsetzen lassen. Der Grund: Sie berücksichtigen kaum ökonomische Aspekte sowie die Rahmenbedingungen von Politik und Verwaltung.

Überflutungen, starke Stürme mit Zerstörungskraft, der Verlust von Salzwiesen und die Versalzung ganzer Landstriche: Solche Bedrohungen für die Küsten dürfte der Klimawandel weltweit verursachen in den kommenden Jahrzehnten. Viele Forschende arbeiten daran, Lösungen zum Schutz der Küsten zu finden und Strategien zu entwickeln, mit denen sich die Küstenbewohner an diese Bedrohungen anpassen können. Wie eine aktuelle Studie von Fachleuten des Climate Service Centers Germany (GERICS) am Hereon zeigt, kommen viele dieser Forschungsergebnisse aber nicht da an, wo sie gebraucht werden – in der Politik, bei für den Küstenschutz zuständigen Behörden, anderen Entscheidern oder potentiellen Geldgebern. Zudem, schreiben die Forscher im Fachmagazin Earth‘s Future, werde bislang vor allem die Situation an den Küsten der Industrienationen und des globalen Nordens erforscht. Für viele Küstenabschnitte in den Entwicklungsländern und im globalen Süden gebe es bislang gar keine oder nur wenige Untersuchungen.

Analyse von 650 Fachartikeln

Geographical distribution of reported coastal adaptation research studies by ecoregion

Geographical distribution of reported coastal adaptation research studies by ecoregion. David Cabana et al., 2023.

Für seine Studie hat das Team um den Meeresbiologen David Cabana insgesamt rund 650 englischsprachige Fachpublikationen ausgewertet, die sich mit der Anpassung von Küstenräumen an den Klimawandel befassen. „Solche Studien sind für das künftige Management der Küstenlebensräume sehr wichtig“, sagt Cabana. „Doch setzen viele Autoren einseitige Schwerpunkte oder lassen Aspekte ganz außer Acht.“ Das beginne bei der weltweiten Verteilung dieser Studien. Besonders gut untersucht seien die Küsten Europas, Nordamerikas und Ozeaniens. Für die Westküste Afrikas oder auch die kleinen Inselstaaten im Pazifik gebe es vergleichsweise wenige Studien zur Anpassung. Ein Manko vieler Publikationen sei auch, dass diese die Situation an sehr kleinen, lokal begrenzten Küstenabschnitten betrachten. „Küstenschutz und Klimaanpassung muss man aber vor allem regional betrachten“, sagt Cabana. Als Beispiel nennt er die Häfen der Ostsee, die über den Schiffsverkehr und den Warentransport eng miteinander vernetzt sind. „Da genügt es nicht, zu untersuchen, wie man einen einzelnen Hafen gegen den Meeresspiegelanstieg schützt. Man braucht eine Lösung für die ganze Ostseeregion.“ Dieser regionale Aspekt werde gerade einmal in rund zwei Prozent der untersuchten Publikationen thematisiert.

Bestandsaufnahme statt konkreter Vorschläge

Für die Anpassung der Küsten an den Klimawandel sind wissenschaftliche Erkenntnisse enorm wichtig. Sie sind eine Grundlage für die Politik und die zuständigen Behörden, am Ende die richtigen Klimaschutz- und Küstenmanagementmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Doch 65 Prozent der untersuchten Studien beschäftigen sich lediglich mit der Ist-Situation. Nur 19 Prozent thematisieren die Planung von Anpassung und gerade einmal ein Prozent beschäftigt sich damit, wie sich die Maßnahmen umsetzen lassen.

Zu den wichtigen Instrumenten für die Gestaltung oder Nutzung von Küsten gehören heute die Meeresraumplanung und das sogenannte Integrierte Küstenzonenmanagement. Im Kern geht es darum, die Ziele der Interessengruppen zu harmonisieren – in der Deutschen Bucht etwa die Schifffahrt, die Windkraft, die Ausweisung von Meeresschutzgebieten oder den Abbau von Sand und Kies. Insofern wäre es sinnvoll, wenn Forschende, die sich mit der Klimaanpassung befassen, bei Studien ebenso die Meeresraumplanung und das Integrierte Küstenzonenmanagement im Blick hätten. Cabana sagt: „Doch das ist meist nicht der Fall. Die Ergebnisse der Studien sind davon abgekoppelt und lassen sich schwer in diesen Managementkontext stellen.“ Hinzu kommt, dass wenige Studien die Wirtschaftlichkeit von Klimaanpassung im Blick behalten. Auch das macht es schwer, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen Maßnahmen abzuleiten. Dabei habe das Thema „Blue Economy“ in Europa und weltweit in den vergangenen Jahren an Fahrt aufgenommen– die Frage, wie man die Leistungen des Meeres mit nachhaltigen Geschäftsmodellen noch besser nutzen kann. David Cabana empfiehlt deshalb, künftig den praktischen Nutzen von Forschung im Blick zu haben und Studien so zu designen, dass sich daraus klare Handlungsempfehlungen für das Küstenmanagement ableiten lassen.

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